Interessante Nachrichten abseits des Mainstreams - Heuschrecke im Griechenland-Drama

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Mein Leben als Heuschrecke im Griechenland-Drama

Irgendwann Ende 2011 beschloss ich, griechische Staatsanleihen zu kaufen. Es war, zugegeben, eine seltsame Idee für jemanden, der nicht ein Hedgefonds- oder Adrenalinjunkie war. Die Eurokrise war in vollem Schwung, die PIGS-Staaten taumelten am Rande des Bankrotts dahin, aus Portugal, Irland und Spanien kamen täglich finanzmarkttechnische Katastrophenmeldungen – und doch reichte auch damals nichts an die griechische Tragödie heran.
Es stellte sich heraus: Spekulieren ist für die Großen vorgesehen, Kleinanleger werden in diesem Spiel misstrauisch beäugt oder gar nicht zugelassen. Mein Bankberater starrte mich sekundenlang wortlos an, ließ mich zweimal wiederkommen und wies mich dann schlicht zurück. Ich weiß nicht, ob es ehrliche Sorge um meinen Geisteszustand war oder doch nur Angst vor einer Klage wegen Fehlberatung: Jedenfalls weigerte er sich, mir griechische Anleihen zu verkaufen.
Schließlich hatte ich bei einem angenehm anonymen Online-Broker Erfolg. Im Jänner 2012 kaufte ich griechischen Staatsanleihen im Nominalwert von 1000 Euro (weniger ging nicht) und zahlte dafür den Tageskurs von 411 Euro. Auszahlungstermin sollte der 20. März sein – der Schicksalstag für die griechischen Finanzen. In den Tabellen neben meiner Anlagenummer – ISIN: GR0110021236 – standen erwartete Renditen von über 900 Prozent: Sollte Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen, müsste es mir kaum acht Wochen später fast das 2,5-Fache auszahlen – nämlich 1000 Euro. Hochgerechnet auf ein Jahr eine fantastische, fast vierstellige Rendite.
Damit war ich (wenn auch als winziges Rädchen) in den illustren Kreis der Griechenland-Gläubiger aufgestiegen – jener Institutionen und Anleger, für die die Pleite Griechenlands 2010 verhindert wurde. Zur Erinnerung: Griechenland hatte sich – unter tatkräftiger Mithilfe der US-Bank Goldman Sachs – mit Hilfe falscher Zahlen in die Eurozone geschmuggelt und Jahr für Jahr falsche Budgetzahlen abgegeben.
Als mit der Finanzkrise das ganze Ausmaß des Desasters sichtbar wurde, hätte es nur einen logischen Schritt gegeben: eine geordnete Insolvenz mit einem kräftigen Schuldenschnitt. Doch die Gläubiger, die dabei draufgezahlt hätten, waren zum Großteil europäische Banken. Man fürchtete eine Kettenreaktion wie bei der Lehman-Pleite. Also wurde gerettet.

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http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/europa/europaeische_union/760048_Mein-Leben-als-Heuschrecke-im-Griechenland-Drama.html